BBMRI.at Legal Knowledge Base

Rechtliche Fragen & Antworten: Einverständniserklärung (Informed Consent (IC)): Rechtlicher Rahmen, standortübergreifende Probenverwendung und Rücktrittsrecht

Dieser Abschnitt des BBMRI.at Legal Helpdesk bietet einen Überblick über die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen, erklärt die Unterschiede zwischen studienspezifischer und allgemeiner Einwilligung, geht auf die Verwendung von Proben an anderen Orten als dem Ort der Einwilligung ein und erläutert das Recht auf Widerruf der Einwilligung.

BBMRI.at Legal Helpdesk

 

Der BBMRI.at Legal Helpdesk Service – betrieben von Rechtsexpert*innen des BBMRI.at-Partners UNIVIE – beantwortet Fragen zu rechtlichen und regulatorischen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Biobanking und/oder der Verwendung biologischer Proben und Daten. Dieser Service wird BBMRI.at-Partnern zur Unterstützung angeboten, da Biobanking und Forschung mit biologischen Proben und Daten (z.B. menschlich, tierisch/veterinär, mikrobiell, etc.) rechtliche Fragen aufwerfen können. Die Antworten von UNIVIE auf rechtliche Fragen werden in der BBMRI.at Knowledge Base veröffentlicht.

 

FRAGE:

Rechtliche Fragen & Antworten: Was ist eine Einverständniserklärung (Informed Consent (IC))?

 

ANTWORT:

Die ethische und rechtliche Anforderung der Einwilligung nach Aufklärung

 

Damit Biobanken menschliche Bioproben erhalten, speichern und verwenden können, muss eine Einverständniserklärung des potenziellen Forschungsteilnehmers/ der potenziellen Forschungsteilnehmerin eingeholt werden. Die Einverständniserklärung bezieht sich auf den Prozess, bei dem nach Bereitstellung ausreichend detaillierter und genauer Informationen die Erlaubnis des/der potenziellen Teilnehmer*in eingeholt wird, die Probe zu sammeln, für einen vereinbarten Zeitraum zu speichern und für (meistens) forschungsbezogene Zwecke zu verwenden[1]. Die Einverständniserklärung (Informed Consent (IC)) (Artikel 4 Absatz 11 der Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO[2]) kann sich auch auf die vom Teilnehmer*in erteilte Erlaubnis beziehen, die personenbezogenen Daten[4] und insbesondere Gesundheitsdaten[5] zu verarbeiten, die mit der der der Biobank zur Verfügung gestellten Probe verknüpft sind. In diesem Zusammenhang kann die Einwilligung als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der DSGVO[6] dienen und sollte auch der Bereitstellung bestimmter Informationen an die betroffene Person vorausgehen (Artikel 7 Absatz 3)[7].

 

Die Einholung einer Einverständniserklärung (IC) ist eine Voraussetzung für Eingriffe im medizinischen und gesundheitlichen Bereich und insbesondere in der biomedizinischen Forschung. Sie gilt auch für die Gewinnung, Lagerung und Verwendung einer menschlichen biologischen Probe (wie Gewebe, Blut oder DNA) im Rahmen des Biobankings[8]. Mehrere (verbindliche und nicht verbindliche) Rechtsinstrumente sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene verweisen auf das Erfordernis, in der Forschung am Menschen eine Einwilligung nach Aufklärung einzuholen. Wir können unter anderem auf Folgendes hinweisen:

 

  • Artikel 5 des Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (Oviedo, 4.IV.1997). Österreich ist kein Unterzeichnerstaat dieses Übereinkommens;
  • Artikel 14 des Zusatzprotokolls des Europarates zur Konvention über Menschenrechte und Biomedizin, betreffend die biomedizinische Forschung (Straßburg, 25.I.2005). Österreich ist kein Unterzeichnerstaat dieses Protokolls;
  • Artikel 3, Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union;
  • §§ 25-32 der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes – Ethische Grundsätze für medizinische Forschung am Menschen (zuletzt geändert im Oktober 2024);
  • §66 des Österreichischen Gentechnikgesetz.

 

Die Einholung einer Einverständniserklärung ist daher sowohl eine ethische als auch eine rechtliche Verpflichtung[9], mit der festgestellt werden soll, ob der/die Forschungsteilnehmer*in aus freiem Willen an einem Forschungsvorhaben beteiligt ist. Damit ein bewusster Wille des/der Teilnehmer*in vorliegt, müssen die Forscher*innen angemessene und verständliche Informationen über den Inhalt des Forschungsprojekts und die Rechte des/der Teilnehmer*in, sowohl als Probengeber*in als auch als betroffene Person, bereitstellen. Die Rechtsvorschriften, die für die Einholung der Zustimmung (oder des Einverständnisses) von Kindern und Minderjährigen in Forschungsumgebungen gelten, wurden von unserem Helpdesk in Frage Nr. 4[10] behandelt.

 

Das Thema der umfassenden Einwilligung[11], wie sie in der Europäischen Union und in den nationalen Rechtsordnungen Österreichs vorkommt, wurde in Frage Nr. 17 behandelt. Eine weitere Form der Einwilligung ist die „studienspezifische Einwilligung“, bei der die Teilnehmer*innen Proben (und Daten) zur Verwendung für eine bestimmte Forschungsstudie spenden. Die Umsetzung einer umfassenden Einwilligung kann für Biobanken von Vorteil sein, da sie es überflüssig macht, die Forschungsteilnehmer*innen erneut zu kontaktieren, um sie um ihre Einwilligung zur Verwendung von Proben und Daten für künftige Forschungsvorhaben zu bitten. Dennoch sollte die umfassende Einwilligung nicht als Antonym der studienspezifischen Einwilligung betrachtet werden. Obwohl einige Autoren beide Begriffe synonym verwenden[12], sollte die umfassende Einwilligung spezifisch sein, d. h., die studienspezifische und die umfassende Einwilligung beziehen sich auf unterschiedliche Ebenen der Spezifität und sind nicht mit einer „pauschalen Einwilligung“ zu verwechseln.

 

Weitere Informationen zu diesen Fragen finden Sie bei dieser rechtlichen Frage & Antwort.

 

Eine Einverständniserklärung (Informed Consent (IC)) setzt voraus, dass:

 

  • Der/die potenzielle Forschungsteilnehmer*in wurde über die Bedingungen, unter denen die Probe gewonnen und aufbewahrt wird, sowie über die Zwecke, für die sie gesammelt und verarbeitet wird, informiert. Zu den Informationen gehören unter anderem: [13] Informationen über das Forschungsprojekt (Titel, Art und Ziele der Studie), die Forscher*innen und Einrichtungen, die die Forschung durchführen, die Bedingungen für den Zugang zu Daten und Proben und deren Weitergabe, Einzelheiten über die wichtigsten Ziele der Gewebeentnahme und die verschiedenen Verwendungszwecke der Daten sowie den Zeitrahmen für die Aufbewahrung; Erwähnung der Risiken, die mit den für die Gewinnung von Blut- oder Gewebeproben erforderlichen Eingriffen verbunden sind; Informationen über die Maßnahmen, die zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Teilnehmer*innen und zur Gewährleistung der Vertraulichkeit getroffen werden; Beschreibung etwaiger kommerzieller Interessen, die sich aus der Forschung ergeben, und der Frage, ob der/die potenzielle Teilnehmer*in Anspruch auf solche potenziellen kommerziellen Vorteile hat, sowie etwaige Pflichten zur Offenlegung von Informationen gegenüber Dritten;
  • Diese Informationen sollten in klarer, ausreichend detaillierter, aber zugänglicher Form formuliert werden;
  • die Person, die die Einwilligung erteilt, muss in der Lage und befähigt sein, diese selbst zu verstehen und zu unterschreiben (in den Fällen, in denen die Einwilligung schriftlich eingeholt wurde). In den Fällen, in denen diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist die Zustimmung eines Elternteils, eines Vormunds oder eines/einer anderen gesetzlich zulässigen gesetzlichen Vertreter*in erforderlich;
  • die Einwilligung wird aus freien Stücken, unmissverständlich und ausdrücklich erteilt (die potenziellen Teilnehmer*innen müssen sich dazu bereit erklären);
  • die Person wird über das Recht, die Einwilligung jederzeit zu widerrufen, und über das Verfahren zum Widerruf der Einwilligung informiert.

 

Ähnliche Bestimmungen enthält die Datenschutz-Grundverordnung für die Erteilung der Einwilligung in Datenverarbeitungstätigkeiten. Siehe Erwägungsgründe 40 bis 43 und Artikel 7 der Datenschutz-Grundverordnung.

 

Was die Übermittlung von Proben und Daten betrifft (z. B. Situationen, in denen eine andere Biobank als diejenige, bei der die Einwilligung nach Aufklärung eingeholt wurde, Proben und Daten aufbewahren und verarbeiten soll), so haben wir die Bedingungen, unter denen dies innerhalb der Europäischen Union geschehen kann, und die Bedingungen, unter denen solche Übermittlungen in Drittländer erfolgen, in Frage Nr. 15 behandelt. Die Regelung dieser Fragen kann auch in die Einwilligungserklärungen aufgenommen werden.

 

Ein*e Teilnehmer*in an einem gesundheitsbezogenen (biomedizinischen) Forschungsprojekt sollte die Möglichkeit haben, die Einwilligung jederzeit zurückzuziehen. Die Rücknahme der Einwilligung sollte so einfach sein wie die Erteilung der Einwilligung[14]. Der gleiche Grundsatz des Widerrufs der Einwilligung gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten, bei der die betroffene Person nach der Datenschutz-Grundverordnung[15] das Recht hat, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Auch in verschiedenen Rechtsdokumenten wird der Widerruf der Einwilligung erwähnt:

 

  • Artikel 5(§3) des Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (Oviedo, 4.IV.1997). Österreich ist kein Unterzeichnerstaat dieses Übereinkommens;
  • Artikel 14 des Zusatzprotokolls des Europarates zur Konvention über Menschenrechte und Biomedizin, betreffend die biomedizinische Forschung (Straßburg, 25.I.2005). Österreich ist kein Unterzeichnerstaat dieses Protokolls.

 

In der Einwilligungserklärung sollte angegeben werden, wie die Einwilligung zurückgezogen werden kann. Darüber hinaus sollten die Auswirkungen und die spezifische Bedeutung des Widerrufs der Einwilligung innerhalb einer bestimmten Biobank/eines bestimmten Forschungsprojekts erwähnt werden. So kann der Widerruf der Einwilligung beispielsweise bedeuten, dass alle gesammelten Proben und Daten anonymisiert werden. In der Regel bedeutet dies jedoch, dass alle Proben und Daten des Forschungsteilnehmers vernichtet werden[16].

 

In der Praxis umfasst ein Formular zur Einwilligung nach Aufklärung sowohl die Genehmigung zur Verarbeitung von Proben und Daten als auch die Informationen, die erforderlich sind, damit die Einwilligung als „nach Aufklärung“ gilt. Einige Institutionen wie die International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation stellen Vorlagen für Einwilligungsformulare zur Verfügung, die im Rahmen des Biobankings verwendet werden können[17]. Zwar wird die Einwilligung in der Regel schriftlich eingeholt, doch kann jede Form der Einwilligung, die dokumentiert und für spätere Nachweise festgehalten werden kann, zulässig sein, da der/ die Forscher*in in der Lage sein sollte, den Nachweis zu erbringen, dass der/die  Teilnehmer*in informiert wurde und dass er/sie dem geplanten Vorhaben zugestimmt hat.

 

Diese Überlegung steht auch hinter dem Wortlaut von Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 7 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten: „beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat“.

HinweisDies ist eine Übersetzung der ursprünglichen Antwort auf Englisch. Die ursprüngliche Antwort ist als PDF verfügbar (siehe unten). Im Zweifelsfall konsultieren Sie bitte die auf Englisch verfasste Version der Antwort.

Quellen:

 

[1] Oder andere autorisierte Zwecke, da Biobanken in manchen Rechtsordnungen „[…] klinischen und diagnostischen Zwecken dienen können“. HOPPE, N. (2021). The regulation of biobanking in Germany (S. 277–290). Springer International Publishing, S. 278.

[2] Datenschutz-Grundverordnung: Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).

[3] Artikel 4(2) der DSGVO

[4] Artikel 4(1) der DSGVO.

[5] Artikel 4(15) der DSGVO.

[6] Artikel 6(1)(a) und Artikel 9(2)(a) der DSGVO.

[7] Für einen Überblick zum Thema Einwilligung siehe: CIPPITANI, R. (2023). Consent Requirements: What Are the Terms and Conditions of Informed Consent?. In: GDPR Requirements for Biobanking Activities Across Europe (Hrsg. Valentina COLCELLI / Roberto CIPPITANI / Christoph BROCHHAUSEN-DELIUS / Rainer ARNOLD). Springer International Publishing, S. 97–108.

[8] FORGÓ, N., KOLLEK, R., ARNING, M., KRUEGEL, T. & PETERSEN, I. (2010). Ethical and Legal Requirements for Transnational Genetic Research. C.H. Beck, Hart, Nomos, S. 12.

[9] FORGÓ et al., a.a.O., S. 8–33, insbesondere S. 10.

[10] Siehe zur weiteren Information: FORGÓ et al., a.a.O., S. 21–25.

[11] MAIERÀ, Andrea. (2023). Broad Consent: Do Patients Have to Be Informed About the Concrete Research Projects for Which Their Data and Biosamples Are to Be Used? Is So-Called Broad Consent Adequate?. In: GDPR Requirements for Biobanking Activities Across Europe (Hrsg. Valentina COLCELLI / Roberto CIPPITANI / Christoph BROCHHAUSEN-DELIUS / Rainer ARNOLD). Springer International Publishing, S. 79–86.

[12] FORGÓ et al., a.a.O., S. 14–17.

[13] Ebenda, S. 30-31.

[14] Europäischer Datenschutzausschuss, „Guidelines 05/2020 on consent under Regulation 2016/679“ (verabschiedet am 4. Mai 2020), Rn. 113. DSGVO, Art. 7 Abs. 3.

[15] Artiekl 7(3) und Erwägungsgrund 65 der DSGVO.

[16] FORGÓ et al., a.a.O., S. 32.

[17] Mendy, M., Caboux, E., Lawlor, R. T., Wright, J., & Wild, C. P. (2017). Common minimum technical standards and protocols for biobanks dedicated to cancer research, IARC Technical Publication Nr. 44, S. 80-90. Verfügbar unter: IARC Publications Website – Common Minimum Technical Standards and Protocols for Biobanks Dedicated to Cancer Research (Zugriff: 23.09 2024).

HinweisDieser Kommentar soll eine Zusammenfassung der wichtigsten ethischen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den von interessierten Kreisen gestellten Fragen bieten und sie auf die einschlägigen anwendbaren Rechtsvorschriften verweisen. Er schließt jedoch die Lektüre der offiziellen Rechtsquellen zu den in diesem Dokument behandelten Themen sowie der von den Autor*innen zitierten Rechtsquellen nicht aus und stellt keine Rechtsberatung dar.